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Zur Wahrheitspflicht eines Zeugen

Erstellt von Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwalt in Bludenz | |   Aktuelles Recht

Ein Zeuge hat seiner Verpflichtung nachzukommen und vor Gericht auszusagen, welche Wahrnehmungen er gemacht hat. Er sollte dabei keine Schlüsse ziehen, sondern nur berichten, was er selbst gesehen und gehört hat. Wenn er bewusst etwas Falsches aussagt, macht er sich strafbar.

Das menschliche Gehirn muss die Unzahl von Reizen, die durch die Sinne aufgenommen werden, verarbeiten. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wird dies dadurch erreicht, dass ein Teil der wahrgenommenen Informationen gar nicht ins Bewusstsein gelangt. Der dort hin gelangende Teil wird nur zu einem kleinen Teil ins Kurzzeitgedächtnis übernommen und von dort wiederum nur ein kleiner Teil ins Langzeitgedächtnis. Vom Auge wahrgenommene Informationen gelangen nur zu einem verschwindend geringen Bruchteil in das Langzeitgedächtnis! Die menschliche Wahrnehmung und das Gedächtnis sind also sehr eingeschränkt. Deshalb nehmen mehrere Zeugen dieselbe Situation unterschiedlich wahr und erinnern sich zwangsläufig unterschiedlich daran.

Schon allein deshalb muss ein Zeuge sehr vorsichtig sein, was er aussagt. Wenn seine Aussage von der der anderer Zeugen oder von anderen Beweisergebnissen abweicht, riskiert er die Einleitung eines Strafverfahrens wegen falscher Zeugenaussage. Ein Zeuge sollte daher bei seiner Aussage nur das als sicher darstellen, was er auch sicher weiß. Wenn er etwas nicht tatsächlich wahrgenommen, sondern aus dem Wahrgenommenen Schlüsse gezogen hat, sollte er das offen legen.

Die Gerichte legen, wie erst jüngst das Landesgericht Feldkirch und auch das Oberlandesgericht ausgeführt haben, einen strengen Maßstab an die Aussagen von Zeugen an. Die Unzulänglichkeiten der menschlichen Wahrnehmungen und des Gedächtnisses können jedoch nicht immer richtig eingeschätzt werden. Bei einem Versuch haben sogar Rechtsprechungsorgane, die alle mit demselben Sachverhalt konfrontiert wurden, dramatisch voneinander abweichende Schilderungen des Sachverhaltes wiedergegeben.